STADTCASINO BASEL – MUSIKSAAL
«Norwegian Sound»

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Seinen Saxophonton erkennt man sofort: Jan Garbarek, Improvisator, Komponist und findiger Bandleader, feierte am 4. März 2022 seinen 75. Geburtstag. Am 21.Juni 2023 feiern wir ihn in Basel. Offbeat hat vor über 38 Jahren das allererste Garbarek-Konzert organisiert.
Spätherbst 2001: Die Kirche ist vollbesetzt. Es herrscht eine andächtige Ruhe. Plötzlich erhe-ben sich vier Gesangsstimmen, sie scheinen von überallher zu kommen. Dann mischt sich ein Sopransaxophon dazu. Es schmiegt sich an den Gesang an, hebt sich ab davon, reibt sich 
daran, entschwebt in den Kirchenraum. Das war neu, das war unerhört. Ein Musikmoment, wie ihn auf der ganzen Welt mittlerweile unzählige Menschen erlebt haben mit den vier Sängern des Hilliard Ensembles und mit Saxophonist Jan Garbarek. Der Norweger improvisierte aus dem Stegreif zu den Gesängen des englischen Hilliard Ensembles. Das Repertoire bestand aus alten Gesängen aus dem 12. bis 16. Jahrhundert, aber auch aus moderner Klassik, aus Musik etwa des armenischen Komponisten Komitas und sogar aus Eigenkompositionen Garbareks. 1994 erschien das erste Album «Officium», 2014 wurde das vierte und letzte gemeinsame Al-bum aufgezeichnet, das Hilliard Ensemble beendete im Dezember 2014 seine Konzerttätigkeit. Dieses Abschlussalbum trägt den sinnigen Titel «Remember me, my dear». Bis Jan Garbarek zur fünften Stimme im Vokalquartett wurde, war er schon einen langen musikalischen Weg ge-gangen. 
Am 4. März 1947 kam Jan Garberek in der norwegischen Kleinstadt Mysen zur Welt. Die Mu-sik trat im Jahr 1961 in sein Leben. In einem Interview mit BR-KLASSIK erzählte Garbarek vor einigen Jahren, dass er als Kind und Jugendlicher überhaupt kein Interesse an Musik hatte. Einzige Ausnahme: «Es machte Spass, mit den Mädchen zu den Songs von Elvis zu tanzen!» Das änderte sich schlagartig, als Jan im Jahr 1961 eines Nachmittags vom Spielen mit seinen Freunden nach Hause kam. Das Radio lief, und was da kam, veränderte sein Leben. «Ich war ein 14-jähriger norwegischer Junge, und ich hörte diese Musik eines viel älteren Afroamerika-ners, der ein Instrument spielte, das ich überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt hatte, und da-zu eine Musik, die ich nicht verstand, aber es änderte mein Leben.» Als das Stück zu Ende war, verabschiedete sich der Ansager im Radio von den Zuhörern der wöchentlichen Jazz-sendung, «da wusste ich, das war Jazz». 
Im September 1970 nahm Garbarek erstmals mit seinem Quartett für ECM auf, und seither ist der Norweger bei diesem Label unter Vertrag. «Afric Pepperbird» heisst dieses erste Album, und darauf hört man eine expressive Musik der 70er Jahre mit verzerrten E-Gitarren und 

freien Rockgrooves, aber auch weltmusikalische Einflüsse scheinen durch. Einen von Rock-musik beeinflussten Jazz spielte Garbarek auch von 1974 bis 1979 an der Seite von Keith Jar-rett in dessen European Quartet. Trotz des relativ kurzen Zeitraums hinterliess diese Band riesige Spuren in der Jazzgeschichte und ist bis heute legendär. 
Besonders Blasinstrumente und Rhythmen aus unterschiedlichen Ländern faszinierten Jan Garbarek immer schon. Indische, arabische, afrikanische, brasilianische, japanische Musik – all das inspiriert ihn und sorgt für die besonderen Schattierungen in seinem Saxophonklang. Sowohl auf dem Sopransaxophon – Garbarek spielt die gebogene Variante, die so aussieht als hätte man ein normales Saxophon etwas zu heiss gewaschen – als auch auf dem tieferen Te-norsaxophon hat er seinen markanten, mit einer gewissen Schärfe versehenen Sound. Der war auch immer das Markenzeichen seiner Jan Garbarek Group. 
Nach einigen wechselnden Besetzungen in den 70ern, oft mit Gitarristen, formierte Garbarek in den 80er Jahren ein Quartett mit dem niedersächsischen Keyboarder Rainer Brüninghaus und dem Stuttgarter Bassisten Eberhard Weber, der damals schon ein Star des deutschen Jazz war. Dazu kamen wechselweise der französische Schlagzeuger Manu Katché oder der indi-sche Perkussionist Trilok Gurtu. Diese Band erlangte Kultstatus und blieb bis 2007 unverän-dert. Bassist Eberhard Weber erlitt direkt vor einem Konzert mit der Jan Garbarek Group im April 2007 in der Berliner Philharmonie einen Schlaganfall und kann seither nicht mehr Bass spielen. 
So expressiv und auch melodieverliebt Garbareks Musik ist, so pragmatisch, ja lakonisch ist der Musiker selbst oftmals. Keines seiner Alben hört er sich nochmals an, keines seiner Inter-views liest er durch, keine Radiosendung über sich hört er nach. Das Saxophonspielen be-zeichnete er einmal als einen Job, den er irgendwann an den Nagel hängen würde. Auch als das Hilliard Ensemble 2014 seinen Abschied von der Bühne verkündete, nahm Garbarek die Nachricht zwar etwas wehmütig, aber doch gelassen auf, so wurde es jedenfalls von Mitglie-dern der Gesangsgruppe berichtet. Vermutlich hat sich seine nüchterne Haltung zu Musik als Beruf aber in den letzten Jahren doch etwas geändert. Dieses Jahr ist er zumindest wieder zurück auf den europäischen Bühnen, zahlreiche Konzerte sind in den Jahren 2022 und 2023 geplant. Jan Garbareks schwebender Ton wird also noch nicht so schnell verklingen – gut so!